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WCAG, BITV und Co.: Der ultimative Überblick über digitale Barrierefreiheit in Deutschland

von Marvin Voß
letzte Aktualisierung: 31.05.2024

Stellen Sie sich vor, Sie wollen online ein Bahnticket kaufen, Ihre Steuererklärung digital abgeben oder einfach nur die neuesten Nachrichten auf einer Webseite lesen. Für die meisten von uns sind das Kleinigkeiten, die wir täglich wie selbstverständlich erledigen. Doch für Millionen von Menschen mit Behinderungen können schlecht gestaltete Webseiten und Apps unüberwindbare Hürden darstellen.

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Stellen Sie sich vor, Sie wollen online ein Bahnticket kaufen, Ihre Steuererklärung digital abgeben oder einfach nur die neuesten Nachrichten auf einer Webseite lesen. Für die meisten von uns sind das Kleinigkeiten, die wir täglich wie selbstverständlich erledigen. Doch für Millionen von Menschen mit Behinderungen können schlecht gestaltete Webseiten und Apps unüberwindbare Hürden darstellen.

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Genau hier kommen Regelungen wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) und weitere Gesetze ins Spiel. Sie sollen sicherstellen, dass jeder Mensch gleichberechtigt am digitalen Leben teilhaben kann. Doch was genau steckt hinter diesen Kürzeln und Paragraphen? Dieser Beitrag gibt Ihnen einen kompakten Überblick über die wichtigsten Regelungen zur digitalen Barrierefreiheit in Deutschland. Tauchen wir ein in die Welt von WCAG, BITV und Co.!

Grundlagen: Barrierefreiheit im Grundgesetz und BGG verankert

Der Grundstein für digitale Barrierefreiheit wird bereits im deutschen Grundgesetz gelegt. Artikel 3 verbietet die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen. Daran knüpfen weitere Gesetze wie das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) an. Ziel ist es, Chancengleichheit herzustellen und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben zu fördern.
Grundsätzlich trägt also der Staat die Verantwortung dafür, Barrierefreiheit zu gewährleisten. Doch was bedeutet das konkret für die Gestaltung von Webseiten, Apps und Software? Hier kommen spezifische Verordnungen und Richtlinien ins Spiel.

BITV 2.0: Der deutsche Standard für Barrierefreiheit

Eine der wichtigsten Regelungen in Deutschland ist die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung, kurz BITV 2.0. Sie gilt für alle Informationsangebote von Bundesbehörden und legt detaillierte Anforderungen fest, um die Barrierefreiheit zu gewährleisten. Dazu zählen zum Beispiel:
  • Textalternativen für Bilder und Grafiken
  • Untertitel und Audiodeskription für Videos
  • Tastatursteuerung für alle Funktionen
  • Verzicht auf blinkende oder schnell wechselnde Inhalte
  • Klare und verständliche Struktur und Navigation
  • Kontrastreiche Gestaltung für Menschen mit Sehbehinderung
Die Behörden müssen also sicherstellen, dass ihre Webauftritte für jeden nutzbar sind - egal ob mit Screenreader, Tastatur oder anderen assistiven Technologien. Und die BITV hat durchaus Biss: Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 50.000 Euro.

Einfluss der WCAG: Internationale Richtschnur

Doch die BITV ist keine deutsche Eigenkreation. Sie basiert auf den Web Content Accessibility Guidelines, den weltweit anerkannten Empfehlungen des World Wide Web Consortiums (W3C). Aktuell gilt die Version WCAG 2.1, die unter anderem 13 Richtlinien mit insgesamt 78 testbaren Erfolgskriterien umfasst.
Auch wenn die WCAG nicht rechtsverbindlich sind, dienen sie in vielen Ländern als Grundlage für Gesetze und Verordnungen. So müssen zum Beispiel auch in der EU Webseiten und Apps von öffentlichen Stellen gemäß der EU-Richtlinie 2016/2102 die WCAG-Konformität erfüllen.
Für Webentwickler und Auftraggeber sind die WCAG damit eine essenzielle Richtschnur. Wer bei einem Neuprojekt von Anfang an Barrierefreiheit mitdenkt, spart später viel Zeit, Geld und Ärger. Außerdem profitieren alle Nutzer von den WCAG-Prinzipien wie Übersichtlichkeit, guter Bedienbarkeit und robuster technischer Umsetzung.

Ausblick: Das bringt die Zukunft

Der Weg zu einem rundum barrierefreien Internet ist noch lange nicht zu Ende. Auch in den kommenden Jahren wird sich sowohl bei den technischen Möglichkeiten als auch den rechtlichen Anforderungen einiges tun:
  • 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft und erweitert die BITV-Pflichten unter anderem auf große Unternehmen und digitale Produkte
  • Mit der WCAG 2.2 stehen weitere Verbesserungen wie bessere Unterstützung für Menschen mit Lese- und Lernschwierigkeiten sowie klarere mobile Anforderungen an
  • In der EU werden zusätzliche harmonisierte Standards für Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen erwartet
Es bleibt also spannend und die Richtung ist klar: Digitale Barrierefreiheit ist keine Kür, sondern muss zur Pflicht werden. Denn nur wenn das Internet für alle gleichermaßen nutzbar ist, können wir von einer gerechten digitalen Gesellschaft sprechen.

Fazit

Egal ob BITV, WCAG oder BGG - hinter all den Buchstabenkombinationen steckt eine klare Botschaft: Niemand darf aufgrund einer Behinderung von der digitalen Welt ausgeschlossen werden. Die vorgestellten Regelungen schaffen dafür die gesetzliche Grundlage und konkrete Leitplanken für die Umsetzung.
Für Webseitenbetreiber, Entwickler und Designer heißt das: Barrierefreiheit muss von Anfang an mitgedacht und konsequent umgesetzt werden. Ja, das bedeutet zunächst mehr Aufwand und die Auseinandersetzung mit vielen Details und Testverfahren. Doch am Ende gewinnen alle: Menschen mit Behinderungen durch bessere Teilhabe, Anbieter durch zufriedenere Nutzer und eine positive Reputation, und die Gesellschaft als Ganzes durch mehr Gerechtigkeit und Inklusion. In diesem Sinne: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, das Netz Stück für Stück barrierefreier zu machen!
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Marvin Voß

Marvin ist die Seele von Peak2 und meist erster Ansprechpartner für neue Projekte. In seiner Freizeit bloggt er über neue Technologien, gibt Einblicke in seine Arbeit und probiert neue Sachen aus.

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