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Was das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (Juni 2025) für Unternehmen mit digitalen Produkten bedeutet (und was jetzt zu tun ist)

von Marvin Voß
letzte Aktualisierung: 31.05.2024

Stellen Sie sich vor, Sie wären von einem Tag auf den anderen von vielen digitalen Angeboten ausgeschlossen, nur weil diese nicht auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Genau das erleben Menschen mit Behinderungen tagtäglich. Doch damit soll nun Schluss sein: Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft und stellt die digitale Welt auf den Kopf - zumindest für Unternehmen. Was genau kommt auf Sie zu und wie können Sie sich jetzt schon vorbereiten? Wir beleuchten die wichtigsten Punkte.

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Stellen Sie sich vor, Sie wären von einem Tag auf den anderen von vielen digitalen Angeboten ausgeschlossen, nur weil diese nicht auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Genau das erleben Menschen mit Behinderungen tagtäglich. Doch damit soll nun Schluss sein: Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft und stellt die digitale Welt auf den Kopf - zumindest für Unternehmen. Was genau kommt auf Sie zu und wie können Sie sich jetzt schon vorbereiten? Wir beleuchten die wichtigsten Punkte.

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Das BFSG - Ein Gesetz für mehr digitale Teilhabe

Das BFSG hat ein klares Ziel: Niemand soll aufgrund einer Behinderung von der digitalen Welt ausgeschlossen sein. Das betrifft immerhin rund 10% der deutschen Bevölkerung, die schwerbehindert sind. Websites, Apps und andere digitale Angebote müssen also so gestaltet sein, dass sie von allen Menschen gleichermaßen genutzt werden können. Damit löst das BFSG die BITV-Verordnung von 2002 ab, die sich bisher nur an öffentliche Einrichtungen richtete. Nun sind auch Unternehmen in der Pflicht.

Wen betrifft das BFSG konkret?

Im Prinzip müssen sich alle Unternehmen mit dem Thema Barrierefreiheit auseinandersetzen, die digitale Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Dazu gehören unter anderem:
  • Online-Händler (E-Commerce)
  • Telekommunikationsanbieter
  • Banken und Finanzdienstleister
  • Verkehrsunternehmen mit digitalen Buchungssystemen
  • Anbieter von E-Books und verwandten Diensten
  • Hardwarehersteller (z.B. von Computern, Tablets, Smartphones)
Eine Ausnahme gibt es lediglich für Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro - es sei denn, sie führen neue Produkte in den Markt ein.

Welche Anforderungen stellt das BFSG an die Barrierefreiheit?

Grundsätzlich müssen Websites, Apps und andere digitale Angebote so gestaltet sein, dass sie von Menschen mit verschiedenen Arten von Behinderungen genutzt werden können. Dabei orientiert sich das BFSG an den internationalen Standards EN 301 549 und WCAG 2.1 (Web Content Accessibility Guidelines).
Im Detail bedeutet das:
  • Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen sowohl visuell als auch akustisch wahrnehmbar sein, zum Beispiel durch Alternativtexte für Bilder oder Untertitel für Videos.
  • Bedienbarkeit: Die Navigation muss auch ohne Maus möglich sein, zum Beispiel per Tastatur. Auch die Bedienelemente wie Buttons oder Links müssen entsprechend gekennzeichnet und erreichbar sein.
  • Verständlichkeit: Texte sollten in einfacher und klarer Sprache verfasst sein. Auch das Layout muss übersichtlich und logisch strukturiert sein.
  • Robustheit: Der Code muss sauber und semantisch korrekt sein, damit er von Hilfsmitteln wie Screenreadern interpretiert werden kann.
Neben Websites und Apps müssen auch digitale Dokumente wie PDFs barrierefrei gestaltet sein. Und auch Hardware wie Computer, Tablets oder Smartphones sowie Selbstbedienungsterminals wie Geldautomaten oder Fahrkartenautomaten fallen unter das Gesetz.

Welche Pflichten haben Unternehmen?

Das BFSG bringt einige neue Pflichten für Unternehmen mit sich - je nachdem, in welcher Rolle sie agieren:
  • Hersteller müssen bereits vor der Markteinführung eines Produkts dessen Barrierefreiheit sicherstellen. Dazu gehören eine Konformitätsbewertung, eine CE-Kennzeichnung sowie eine entsprechende Dokumentation.
  • Importeure und Händler müssen dafür sorgen, dass die Produkte den Anforderungen entsprechen und auch während der Lagerung und beim Transport keine Veränderungen vornehmen, die die Barrierefreiheit beeinträchtigen.
  • Dienstleister müssen ihre Angebote barrierefrei gestalten, verständliche Informationen darüber bereitstellen und eventuelle Verstöße korrigieren bzw. melden.

Welche Übergangsfristen und Ausnahmen gibt es?

Auch wenn das Gesetz am 28. Juni 2025 in Kraft tritt, gibt es für einige Bereiche Übergangsfristen. So haben beispielsweise ältere Selbstbedienungsterminals bis zu 15 Jahre Zeit, die Anforderungen zu erfüllen.
Außerdem kann es Ausnahmen geben, wenn die Umsetzung der Barrierefreiheit eine unverhältnismäßige Belastung darstellt, weil sie entweder die Produkte grundlegend verändern oder einen übermäßigen organisatorischen und finanziellen Aufwand bedeuten würde. In solchen Fällen können Unternehmen einen Antrag auf Ausnahme stellen, müssen diesen aber über fünf Jahre dokumentieren.

Was droht bei Verstößen?

Wer die Anforderungen des BFSG nicht erfüllt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen:
  • Bußgelder bis zu 100.000 Euro
  • Mögliche Vertriebsverbote für nicht-konforme Produkte oder Dienste
  • Überwachung durch Marktaufsichtsbehörden, die die Einhaltung der Vorgaben kontrollieren und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen anordnen können

Wie können sich Unternehmen jetzt vorbereiten?

Auch wenn bis zum Inkrafttreten des BFSG noch etwas Zeit ist, sollten Unternehmen jetzt aktiv werden und ihre digitalen Angebote auf Barrierefreiheit überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Folgende Schritte empfehlen sich:
  • Bestandsaufnahme: Führen Sie ein Audit Ihrer aktuellen Websites, Apps und anderen digitalen Inhalte durch und ermitteln Sie den Handlungsbedarf.
  • Schulungen und Updates: Informieren Sie sich regelmäßig über die Vorgaben und Richtlinien der Bundesfachstelle Barrierefreiheit und schulen Sie Ihre Mitarbeiter entsprechend.
  • Regelmäßige Überprüfung: Etablieren Sie einen Prozess zur regelmäßigen Überprüfung und Anpassung Ihrer digitalen Angebote an die Barrierefreiheitsstandards.
  • Einsatz von Hilfsmitteln: Nutzen Sie Hilfsmittel und Technologien, die Ihnen bei der Umsetzung der Barrierefreiheit helfen, wie zum Beispiel Screenreader oder Kontrastprüfer.
  • Inklusive Gestaltung: Berücksichtigen Sie die Prinzipien des inklusiven Designs von Anfang an bei der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen.

Barrierefreiheit als Chance begreifen

Auch wenn die Umsetzung des BFSG zunächst mit Aufwand verbunden ist, sollten Unternehmen die Barrierefreiheit als Chance begreifen:
  • BVerbessertes SEO: Barrierefreie Websites werden von Suchmaschinen besser gefunden und bewertet, was zu einem besseren Ranking und mehr Sichtbarkeit führt.
  • Erweiterung der Zielgruppe: Durch die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen erschließen sich Unternehmen neue Marktpotenziale und Kundengruppen.
  • Positives Image: Ein Engagement für digitale Inklusion trägt zur gesellschaftlichen Verantwortung bei und verbessert die Wahrnehmung bei Kunden und Stakeholdern.
In diesem Sinne: Packen wir's an und gestalten wir gemeinsam eine barrierefreie digitale Zukunft
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Marvin Voß

Marvin ist die Seele von Peak2 und meist erster Ansprechpartner für neue Projekte. In seiner Freizeit bloggt er über neue Technologien, gibt Einblicke in seine Arbeit und probiert neue Sachen aus.

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